Auf der Suche nach dem Kanal

Färbt man die Ziffern 1 bis 5 der Pi-Folge schwarz, die Ziffern 0 und 6-9 weiß, so ergibt sich für die ersten 50x50 Nachkommastellen diese grafische Matrix:


Bild 1: Die ersten 2.500 Nachkommastellen von Pi, Ziffern 1-5 sind schwarz gefärbt

Wir nehmen nun an, die schwarzen Zellen sind DURCHLÄSSIG. Sie bilden somit Kanäle, in denen Wasser fließen kann.
Gibt es im Bild einen zusammenhängenden Kanal, durch den das Wasser vom oberen zum unteren Rand fließen kann?
Oder auch von links nach rechts?
Nein, für unser Bild gibt es keinen solchen Weg.
Und das, obwohl ja 50% unserer Zellen durchlässig waren.

Es stellt sich die Frage: Welcher Prozentsatz der Zellen muß durchlässig sein, damit die gesamte Matrix durchquert werden kann?

Mit solchen Fragestellungen beschäftigt sich die mathematische Disziplin der Perkolationstheorie.
Sie untersucht (theoretisch unendlich ausgedehnte) Gitter verschiedener Geometrien auf ihre "Durchlässigkeit".
Es zeigt sich, dass es stets eine kritische Besetzungsdichte (=Anteil der durchlässigen Zellen) gibt, oberhalb der das Gitter schlagartig durchlässig wird.

Für unser quadratisches Gitter hat diese Größe den Wert

pk = 0.592746.

Da im oberen Bild p = 0.5 < pk war, gab es keinen Durchgang.
Nehmen wir nun die "6" mit zu den durchlässigen Zahlen, wandelt sich das Bild.
Wir liegen mit p = 0.6 über pk, ein möglicher Durchgang ist im Bild gezeigt.


Bild 2: Hier ist auch die 6 zusätzlich schwarz, damit gibt es z.B. den grünen Weg von links nach rechts

Wir können diesen Test auf Durchlässigkeit mit den folgenden 50x50 Pi-Ziffern ab Stelle 2.501 wiederholen - und so fort.
Simuliert man mit der Pi-Folge vieler solcher Matritzen, so sind nicht alle durchlässig. Das liegt an der recht kleinen Gitterdimension von 50x50.

Erhöhen wir nun die Gittergröße auf 500x500 und berechnen ein hohe Anzahl an Gittern, so sind praktisch alle Gitter mit p = 0.6 durchlässig, während alle Gitter mit p = 0.5 undurchlässig sind.
Damit wissen wir, dass 0.5 < pk < 0.6.

Wie können wir pk genauer eingrenzen?
Bisher hatten wir nur die Ziffern 0-9 im Blick, das erlaubte uns die Besetzungsdichte in 0.1er -Schritten zu variieren.
Lesen wir die Pi-Folge nunmehr zweistellig aus, stehen die Zahlen 00 bis 99 zur Verfügung, die Abstufung ist um den Faktor 10 genauer.
Jetzt lässt sich bereits eine Durchlässigkeitskurve in Abhängigkeit von Besetzungsdichte und Matrixgröße darstellen.
Man ahnt, dass der kritische Punkt irgendwo bei 0.59 liegt.


Bild 3: Durchlässigkeitskurve des Gitters in Abhängigkeit von Seitenlänge und Besetzungsdichte der Zellen
(Für jeden Besetzungswert und jede Seitenlänge wurden 10.000 Gitter berechnet und auf Durchlässigkeit geprüft.)

Führt man diesen Test auf Durchlässigkeit also sehr oft (mit vielen Ziffern der Pi-Folge) durch, und zwar für verschiedene Besetzungsdichten p, so lässt sich daraus der Wert von pk abschätzen. Solche Verfahren nennt man gemeinhin Monte-Carlo-Simulationen.
Stimmt der dabei ermittelte Wert von pk mit dem theoretisch erwarteten überein, so ist dies ein Hinweis darauf, dass die zugrunde liegende Datenquelle zufällig verteilte Ziffern liefert.

Hier nun die Eckdaten meiner finalen Simulation.

Simuliert wurden jeweils 100.000 Gitter, p wurde mit einer Genauigkeit von 0.000 1 eingestellt (vier Pi-Ziffern je Zelle).
Die Gittergröße betrug 500x500.
Damit wurden für die gesamte Simulation 500 x 500 x 4 x 100.000 = 100.000.000.000 Pi-Ziffern verwendet.
Die Berechnung wurde zwei Mal durchgeführt: einmal unterhalb des kritischen Wertes mit p = 0.5922, einmal oberhalb mit p = 0.5932.
Jeder Lauf dauerte ca. 7 Stunden, wobei die Simulation unterhalb der Durchlassschwelle 20 Minuten länger dauerte. Am zeitaufwändigsten war dabei jeweils die Ermittlung des Durchgangsweges.

Der für die kritische Besetzungsdichte der Knotenperkolation im quadratischen Gitter ermittelte experimentelle Wert ist

pk Simulation = 0.592728




Dieses Simualtionsprojekt habe ich im Oktober 2014 durchgeführt.

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